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Erlebnisberichte

Übergang aus der Privatwirtschaft zur Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft – L P G

Die meisten Jänickendorfer Bauern, die der LPG beitraten, taten das nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern weil sie das vom Staat geforderte Soll an Abgaben nicht schafften bzw. ihnen die nötigen Arbeitskräfte fehlten.
Viele Männer und Söhne waren aus dem Krieg nicht heimgekehrt. Arbeitskräfte, die bisher geholfen hatten, wechselten in Bereiche über, wo sie besser bezahlt wurden.
Ich bin dann mal weg1956Anlass einer LPG – Gründung gab in Jänickendorf 1953 die Flucht der Familie Ziehe nach Westdeutschland. Keiner wollte den Hof weiterführen. Deshalb wurde dieser Landwirtschaftsbetrieb verstaatlicht – also zu einem sogenannten ÖLB – Betrieb (Örtlicher LandwirtschaftsBetrieb). Das war zugleich auch Grundlage für die Bildung der LPG Typ III, die zum Rechtsträger des Gehöftes wurde. Scheune sowie Stall wurden zum Schweinestall umgebaut.
Am 14. April 1953 wurde die LPG „Friedrich Engels“ Typ III in Jänickendorf gegründet. Als Vorsitzender wurde Werner Diederitz gewählt. Die ersten Mitglieder waren die Wirtschaften der Bauern Johanna Dieteritz, Albert Albert Lehmann, Paul Ziehe und Johanna Lehmann. Kurze Zeit später traten  noch die Bauern Fritz Krüger und Flora Forkert der LPG bei.
Typ III bedeutet, dass Feld- und Viehwirtschaft gemeinsam betrieben wurden, während in der LPG Typ I nur eine gemeinsame Feldwirtschaft war. Die Tiere bewirtschafteten die Bauern dieses LPG – Typs noch allein.

Helga Lehmann verh. Wienicke musste der LPG beitreten, weil ihr Vater 1957 verstarb. Sie schaffte es alleine mit der Mutter nicht den Hof weiter zu bewirtschaften. Ihr Mann war als Schlosser tätig. Damit war ein Beitritt zur LPG  eine willkommene Lösung für die Familie.
1959 stieg die Zahl der LPG – Mitglieder in Jänickendorf auf 51 und die Zahl der LPG – Höfe auf 13. Damit wurden 25% der dörflichen Anbaufläche genossenschaftlich bewirtschaftet. Der bereits im Vorjahr ausgebaute Kuhstall des LPG – Mitgliedes Herta Schramm bot nach Auf- und Umbau der eingefallenen Querscheune für weitere 15 Kühe Unterkunft. Im Hof 1 (Paul Ziehe) entstand eine neue Schweinebaracke zur Ferkelaufzucht.
Familie Rasack trat der LPG 1959 bei, da die BHG (Bäuerliche Handelsgenossenschaft) den Bruder mit einem guten Lohnangebot abgeworben hatte, wodurch die einzige männliche Arbeitskraft wegfiel.
Der 12. März 1960 ging als historischer Tag in Jänickendorfs Geschichte ein. An diesem Tag traten die restlichen 75% der landwirtschaftlichen Betriebe der LPG bei. Der bereits bestehenden LPG „Friedrich Engels“ Typ III mit ihren bis dahin 13 Betrieben traten die restlichen 50 Betriebe bei. Ihr Vorsitzender war der Diplomlandwirt Walter Pohl, der  1959 auf der Kreisbauernkonferenz von Lüdersdorf nach Jänickendorf delegiert wurde. Als Feldbaubrigadier wirkt zu dieser Zeit Paul Ziehe, Manfred Bölke leitete den Einsatz der Traktoren.

16 einstige Einzelbauern bildeten die neue LPG „Frohe Hoffnung“ Typ I mit dem Vorsitzenden Erich Hagen. Die Gründung erfolgte in der Wohnstube der Familie Nitsche/Kuhlmey. Da der Bruder aber eine Arbeit als Traktorist aufnahm, schwenkte die
Familie noch in der gleichen Nacht zum Typ III um.

Dem Beitritt in die LPGen waren aber Monate und Wochen von Repressalien und schlaflosen Nächten für viele der Bauern vorausgegangen.
Das größte Problem für viele Bauern bestand im Erfüllen der „Sollabgaben“. Trotz harter Arbeit von früh bis spät und Verzicht auf Verzehr von Fleisch, Butter und anderen Eigenerzeugnissen schafften sie es oft nicht, das geforderte Soll an den Staat abzuliefern. Im schlimmsten Falle drohten ihnen dann Gefängnisstrafen. Das veranlasste viele Bauern zur Flucht nach Westdeutschland und damit  ihren Grund und Boden – ihre Heimatscholle zu verlassen.
In Jänickendorf waren das nur die Eltern und Schwester von Paul Ziehe.

Aufruf an die Bauern / Potsdam, im Dezember 1955 zum Eintritt in die LPG

 

Besonders in den Jahren 1958 bis 1960 wurden die Bauern mit den verschiedensten Methoden, endlich der LPG beizutreten,  unter Druck gesetzt oder „gelockt“.
Fast täglich fuhren Autos mit Lautsprechern durchs Dorf und  warben eindringlich für den Eintritt in die Genossenschaft. Manche Bauern fühlten sich dadurch so unter Druck gesetzt, dass sie sich in ihrem Haus vor Angst versteckten, ähnlich wie beim Einmarsch der Roten Armee 1945. Zahlreiche Bauern verriegelten sofort ihre Höfe beim Ertönen der Lautsprecher, um sich damit vor einem persönlichen Besuch der Propagandisten zu schützen.
Aber es wurde auch auf „humane“ Weise geworben. So versuchte man durch Bereitstellung von Konsumgütern, die zu dieser Zeit für einen „normalen“ Bürger  kaum zu haben waren, verschiedene Bauern vom Eintritt in die LPG zu überzeugen.
Familie Brückmann konnte am 11.März 1960 zum Beispiel einen PKW „Trabant“ käuflich erwerben, auf den man sonst bis zu 15 Jahre vom Tag der Bestellung an warten musste. Sie nahmen die Gelegenheit wahr, obwohl noch nicht einmal ein Familienmitglied die Fahrerlaubnis dafür besaß.
Bei Familie Erich Hagen und Arthur Schütze versuchte man es mit einem Fernsehgerät. Auch das war zu jener Zeit nur nach langer Bestellzeit oder durch Beziehungen zu haben.
Die LPG-en hatten ebenfalls ein Soll an Ablieferungen zu erfüllen. Ihnen wurden aber von staatlicher Seite aus Zugeständnisse gemacht – zum Beispiel eine bessere Bezahlung der Erzeugnisse, aber auch in Form von Fördermitteln – um den Beitritt der Einzelbauern zu forcieren.
Wer der Genossenschaft beitrat, brachte damit seinen Bestand an Vieh und Land mit ein. Die Leute, die ohne Grund und Boden waren, hatten mit Eintritt in die LPG einen entsprechenden Pflichtinventarbeitrag in Form von Geld zu zahlen, wie zum Beispiel Fiodora Dusel und Renate Teuber (verh. Laubisch) in Jänickendorf.
Die Arbeit in der Genossenschaft war zu Anfang schwer – sehr schwer. Früh und Nachmittag war Stallarbeit angesagt. Da die Ställe  sehr klein und die Gänge sehr eng waren, musste das Futter für die Tiere oft mit Kiepen zu den Futterkrippen getragen werden. Zur Stallarbeit kam tagsüber auch noch die Feldarbeit.
Bezahlt wurde nach Einheiten. Die verschiedenen Tätigkeiten wurden ihrer Schwere entsprechend in Arbeitseinheiten eingestuft und nach deren geleisteten Anzahl erfolgte die monatliche Entlohnung. Der Wert der Arbeitseinheit wurde zu Beginn noch vom Staat gestützt.
Die heute 70 – 80-jährigen Zeitzeugen berichten, dass sie vom ersten Tag ihres Beitritts zur LPG genauso weiter gearbeitet haben wie sie es aus ihrer Zeit als Einzelbauer gewohnt waren- fleißig und gewissenhaft.
Gisela Bölke

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