02_1 Museum 2020 logo_museum1
Handel

Fliegende Händler

Landwirtschaftskatalog 1902Wenn heute der Fleischer, Bäcker oder Obsthändler über die Dörfer fährt, um seine Waren zum Verkauf anzubieten, so ist das keine Erfindung der „Neuzeit“. Sogenannte „Fliegende Händler“ gab es schon vor 100 Jahren. Damals aus der Notwendigkeit heraus, weil die Bauern keine Zeit hatten, Einkäufe in der Stadt zu erledigen, denn es gab ja noch keine „Supermärkte“, in denen man fast alle Waren des täglichen Bedarfs einkaufen konnte. Man musste von Laden zu Laden gehen, wenn man einen Großeinkauf tätigen wollte. Das Angebot, Einkäufe über Katalogbestellung vorzunehmen befand sich noch in den Kinderschuhen.
Also waren die Menschen auf dem Lande dankbar, wenn in regelmäßigen Abständen Händler ganz verschiedener Art ins Dorf kamen. Bemerkbar machten sich diese mit lautem Glockengeläut beim Durchfahren des Dorfes bis zu ihrem angestammten Stellplatz. Dort boten sie dann ihre Waren zum Kauf an. Oder sie zogen auch von Haus zu Haus, um ihre handwerklichen Dienste vor Ort anzubieten.
Die Händler fuhren mit dem Pferdewagen oder einem Auto, meist dreirädrigen, übers Land. Oft durften sich die Pferde mit Wasser, Heu und Stroh beim Bauern stärken während der Handel vollzogen wurde, denn sie waren häufig den ganzen Tag unterwegs.
Die Jänickendorfer Senioren können über zahlreiche Händler unterschiedlichster Art berichten:
Der sogenannte „Stelzenmann“, an den sich viele aus ihrer Kindheit um 1937 nKatalogangebot 1902och erinnern können, rief oftmals Angst hervor. Wie sein Name schon sagt, kam dieser auf hohen Stelzen daher, um seine Schuhcrem an den Mann/Frau zu bringen. Dabei hatten die Kinder gar keinen Grund sich vor ihm zu fürchten, denn oftmals war auf der Verpackung noch ein Geschenk angebracht wie zum Beispiel ein  Fingerring, ein Schornsteinfeger und ähnliches.
Plündermann kam regelmäßig mit seinem Planwagen und Pferd nach Jänickendorf, um Lumpen einzusammeln, aber auch Nähutensilien zu verkaufen. Er machte an mehreren Stationen Halt. In der Schlenzer Straße musste er umkehren, um wieder auf die Hauptstraße zu gelangen. Deshalb war diese Straße auch lange Zeit unter dem Namen „Plündermanns Umkehr“ bekannt.
Heringshoffmann hielt in der Mitte des Dorfes vor Domehagk an, um dort Fische zum Verkauf anzubieten. Kinder bekamen oftmals kleine Sprotten umsonst von ihm.
Auch Braubier wurde zum Kauf angeboten. Dazu gingen die Bauern mit Eimern zum Verkaufswagen und ließen diese aus dem Fass mit Bier füllen. Das war billiger als in der Dorfkneipe.
Herr Kontzak, der aus dem letzten Haus linker Seite Ortsausgang Holbeck gebürtig war, bot von seinem Dreiradauto aus Bier, Wiener Würstchen für 10 Pfennige und selbstgefertigtes Eis an. Aber das kann laut folgendem Spruch nicht allzu gut geschmeckt haben:

Wer einmal leckt, der weiß wie`s schmeckt.
Wer zweimal leckt, der kennt den Dreck.

Neben diesen Händlern kam ein Leitermann mit Holzleitern unterschiedlicher Längen, ein Bürstenmann, der aus einer großen Tragekiepe verschiedene handgefertigte Bürsten zum Verkauf anbot, aus Kloster Zinna ein Verkäufer mit Holzpantinen sowie ein Händler mit Verkauf von Töpfen und Deckeln vom Auto aus.
Frau Malke aus Luckenwalde hatte  Hauspantoffeln im Angebot, die meist aus alten Stoffen und Teppichresten gefertigt waren.
Bettfederreinigung fand vor der „neuen“  Schule statt. Die Betten wurden gleich vor Ort gereinigt und sollte ein neues Inlett benötigt werden, dieses auch gleich mit den gereinigten Federn gefüllt.
Scherenschleifer und manch andere Handwerker zogen von Haus zu Haus, um ihre Dienste vor Ort anzubieten.
Aber es gab vor 100 Jahren auch schon die Möglichkeit, sich seine Wünsche über Katalog zu erfüllen: Dazu kam ein Vertreter  der Firma  mit einigen Anschauungsmustern und Katalog ins Dorf. Hier konnten sich die Leute Muster aussuchen und bestellen. Frau Lehmann, die Mutter der heute 85- jährigen Helga Wienicke, bestellte sich auf diesem Wege eine Bettdecke aus Tüll über zwei Betten und dazu passend eine Satindecke. So ein Einkauf war günstig, denn die Ware kam ca. 4 Wochen später und das bedeutete Zeit Geld für diese Ausgabe zurück zu legen.
Scherenschleifer und manch andere Handwerker zogen von Haus zu Haus, um ihre Dienste vor Ort anzubieten.
Aber es gab vor 100 Jahren auch schon die Möglichkeit, sich seine Wünsche über Katalog zu erfüllen: Dazu kam ein Vertreter  der Firma  mit einigen Anschauungsmustern und Katalog ins Dorf. Hier konnten sich die Leute Muster aussuchen und bestellen. Frau Lehmann, die Mutter der heute 85- jährigen Helga Wienicke, bestellte sich auf diesem Wege eine Bettdecke aus Tüll über zwei Betten und dazu passend eine Satindecke. So ein Einkauf war günstig, denn die Ware kam ca. 4 Wochen später und das bedeutete Zeit Geld für diese Ausgabe zurück zu legen.
Ihr Vater hatte eine preisgünstigere Variante der Bezahlung: Er war fleißiger Pilzsammler und tauschte diese stets gegen einen Karton Harzer Käse ein.
Otto Diederitz zog mit einem Koffer über die Dörfer, um Socken, Taschentücher usw. zu verkaufen, die seine Frau als Weißnäherin gefertigt hatte.
Neben den Händlern gab es in Jänickendorf auch kleine Kolonialwarenläden, wie der der Familie Klatt, Zimmermann, Schmiedecke und die Bäckerei Müller.
Fritz Schmiedecke verkaufte seine Kartoffeln vom Auto aus, seine Frau betrieb den kleinen Laden im Haus. Klingelte das Telefon, stiegen die beiden Enkeltöchter Hiltraud und Ingelore auf eine kleine Fußbank, um an den Apparat zu gelangen und antworteten  dem Anrufer „Oma kommt gleich“.
Heute sieht man auch wieder Händler durch unsere Dörfer fahren. Durch die großen Supermärkte rentieren sich die kleinen Dorfläden nicht mehr. In fast jedem Haushalt steht ein Auto zur Verfügung, um größere Einkäufe in der Stadt zu tätigen. Dankbar sind die alten Leute, die keine Angehörigen mehr im Ort haben, über unseren kleinen Dorfladen, der in Jänickendorf noch existiert und wo man Dinge des täglichen Bedarfs und sogar frische Milch, Fleisch- und Wurstwaren kaufen kann.

Gisela Bölke
November 2013

website design software